Bombenabwurf
Bombenangriff auf Freiberg am 7. Oktober 1944
Beim Bombenabwurf über Freiberg am 7. Oktober 1944 um 12.40 Uhr kamen 172 Menschen zu Tode.
Jährlich gedenkt die Universitätsstadt Freiberg den Opfern des Bombenangriffs auf Freiberg. Seit 2020 beteiligen sich Schülerinnen und Schüler der Oberschule „Clara Zetkin“ mit einem eigenen Beitrag an der Gedenkveranstaltung.
80 Jahre Bombennacht in Freiberg: Interview mit Rainer Frommann, Überlebender des Bombenangriffs
80 Jahre Bombennacht in Freiberg: Interview mit Rainer Frommann, Überlebender des Bombenangriffs
Rainer Frommann, Jahrgang 1937, erlebte als Sechsjähriger den Bombenangriff auf Freiberg am 7. Oktober 1944. Er ist eine Schlüsselperson der Erinnerungskultur, die ein Netzwerk zwischen den Hinterbliebenen knüpft und engagiert das Gedenken an Opfer und Tat wachhält. Rainer Frommann widmet seine Freizeit der Erforschung einzelner Familienschicksale, um Leid und Zerstörung eines Krieges auch heute noch anderen bewusst zu machen. Mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Freiberg 2017 wurde er für sein Engagement geehrt.
Herr Frommann, was motiviert Sie stets auf Neue, sich für ein Gedenken an die Opfer der Bombennacht einzusetzen? Woher nehmen Sie die Kraft?
Mich motiviert meine unzerstörbare Liebe zu allen Menschen und mein Wunsch nach Versöhnung und Frieden. Meine Mutter schrieb an meinen Vater, der als Soldat in Russland war: „Rainer sagte heute: ‚Ich will nicht in den Krieg. Ich bin ein kleiner Junge und will zu Hause bleiben‘."
Was ist Ihnen von damals besonders in Erinnerung geblieben?
Ich bin am 7. Oktober 1944 gleich nach der Entwarnung durch viele Straßen von Freiberg gezogen und habe alles auf mich wirken lassen. Und alles ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Nur ein Beispiel: Man erzählte mir von einer verschütteten Frau, von der nur der Kopf aus den Trümmern zu sehen gewesen war. Es wurde überlegt, wie man diese Frau ausgraben kann, ohne dass die über ihr hängende Gebäudedecke auf sie niederstürzt.
Sie gehen als Zeitzeuge regelmäßig zu Schülern der Clara-Zetkin-Oberschule. Was erzählen Sie ihnen?
Ich erzähle den Schülerinnen und Schülern von dem Leid der Überlebenden und den schrecklichen Zerstörungen von Häusern. Vor allem aber auch von der tatkräftigen Hilfe, die sich die Menschen untereinander geleistet haben. Zum Beispiel wie eine Frau aus dem dritten Stock eines Hauses in den „Abgrund" sprang, d.h. in die vielen Arme der Menschen, die viele Meter unter ihr zum Abräumen von Schutt eingesetzt waren.
Wie reagieren die Schüler auf Ihre Berichte? Welche Fragen stellen sie Ihnen?
Die Jugendlichen reagieren stets sehr betroffen. Sie brauchen Stille und ich lasse sie ihnen. Ich sehe, wie sich manchmal ein Kopf neigt und auch wie zwei Hände sich schließen... Die Fragen nach dem Warum? und Wieso? kommen erst später oder die Forderung von Käthe Kollwitz in ihrer berühmten Zeichnung „Nie wieder Krieg!". Und dann kommen auch die Fragen: Warum schon wieder und immer wieder: Krieg. Und die Fragen, was wir dagegen tun können.
Wie kam es zu dem Kontakt mit dem Komitee des Oberbürgermeisters für Frieden und Versöhnung von Coventry? Worin besteht die Zusammenarbeit?
Meine inzwischen herzliche Beziehung zu den Menschen, die sich in Coventry für Frieden in aller Welt einsetzen, verdanke ich Pfarrer Tetzner, als er noch Pfarrer an der Petrikirche in Freiberg war. Durch ihn habe ich das Coventry-Gebet für Frieden und Versöhnung kennengelernt und er half mir, es im Gottesdienst mit ihm zusammen zu sprechen. Inzwischen sind wir Freunde geworden. Er will an einem 7. Oktober bei einer Erinnerungsfeier in Freiberg teilnehmen. Vor einigen Jahren habe ich den Sekretär des Committees in Coventry angeschrieben und ihm von meinen Initiativen berichtet.
Sie sind der Initiator der Gedenktafel für „Mutter Matthes“, eine Frau, die sich in der Bombennacht schützend über ihren Säugling warf und im Bombenhagel starb. Wie erfuhren Sie von dieser Geschichte?
Die Geschichte von „Mutter Matthes" und ihrem Tod zur Rettung ihres Babys erfuhr ich das erste Mal von Joachim Mosch (geb. 09.09.1930). Er war bei dem Luftangriff knapp 14 Jahre alt. Er verschaffte mir ein Foto von dem Ereignis und gab mir seinen Bericht:
„In direkter Nähe des Ereignisortes (der Rettung des Kindes durch die Mutter) war er selber verschüttet, konnte aber nach kurzer Zeit befreit werden. Das beigefügte Foto zeigt links die Schlosserei Mosch mit zerstörtem Wohnhaus. Rechts sieht man versetzt dahinter die Rückseite des Wohnhauses der Turmhofstraße 14. Dort hat sich im Erdgeschoss – im Treppenhaus – das Drama ereignet. Erna Matthes hatte mit ihrem Baby alleine in der Parterre-Wohnung gewohnt. Der Vater des Babys war zwei Monate zuvor im Krieg gefallen. Sein Bruder musste an die Front zurück. Die Mutter von Erna Matthes war kurz vorher aus der Wohnung ausgezogen.
Es fragte: Dagmar Doms-Berger
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Gedenkwort der Stadt Freiberg: 80 Jahre Bombenangriff auf Freiberg
Liebe Schülerinnen und Schüler
sehr geehrte Damen und Herren,
Sie hörten eben ein Stück zum Thema Frieden, intoniert von Ingolf Barth, Trompeter in der Mittelsächsischen Philharmonie
An was denken wir an diesem besonderen Tag, frage ich Sie?
- An grenzlose Freiheit,
- Aber auch an grenzenlose Tyrannei,
- Vor allem, wenn ich an den Bombenhagel von 1944 denke -> der auf den Tag genau 80 Jahre her ist
- Zum Gedenken möchte ich Ihnen nun ein kurzes Gedicht vortragen:
Ihr Friedensengel, Ihr Friedensengel !
Was macht uns dieser Ort,
an dem wir jedes Jahr stehn,
was macht er uns immer so traurig ?!
Weil hier seit langem
unsere Toten ruhn:
Die Kinder, Die Greise, die Männer und Fraun.
Sie starben im Freiberger KRIEGESGRAUN.
Wie konnte das geschehn !
Das darf nie wieder geschehn !
Und deshalb lasst uns GUTES TUN,
solange in unserer Lebensfrist
noch Zeit dafür gegeben ist !
(nach Franz von Assiisi, 1182-1226)
Die Zeilen des Gedichts erzählen davon, wie Krieg Existenzen zerstört, Familien entzweit und Menschen zu Tode bringt.
So auch in Freiberg.
- Der Krieg kam in all seiner Härte in Freiberg an,
- als am 7. Oktober 1944 um 12:40 Uhr, die Bomben auf unsere Stadt fielen
- und 172 Menschen töteten,
- unzählige weitere verletzen,
- unsere Häuser und Infrastruktur zerstörten.
Den Opfern aus Freiberg, von denen viele an dieser Stelle beerdigt worden, gedenken wir heute hier gemeinsam.
„Das darf nie wieder geschehen!“ lautet eine Zeile des eben vorgetragenen Gedichtes.
Dafür setzen sich weltweit viele Menschen ein.
- So auch Rainer Frommann
- Im Zeichen des Friedens hält er für uns Freiberger Verbindung mit der Kirchgemeinde in Coventry.
- 1940, also vier Jahre vor Freiberg, wurde die Stadt Coventry, eine Industriestadt nördlich von London durch deutsche Flugzeuge bombardiert.
- Die St. Michael´s Kathedrale wurde zerstört.
- Der damalige Pfarrer ließ in die Chorwand der Ruine, übrigens bis heute Ruine, die Worte „Vater vergib“ meißeln.
- Daraus ist eine weltweite Friedens - Initiative entstanden, die gerade in unseren Tagen eine außerordentliche Bedeutung besitzt :
- Ihr Ziel ist Frieden und Versöhnung - statt Krieg !
Wir sehen, der Wunsch nach Frieden, lässt ein Netzwerk entstehen, zwischen Regionen und Menschen, die selbst unter dem Krieg leiden, die einen Bombenhagel erlebten.
Nur durch friedliche und versöhnliche Handlungen können wir miteinander leben.
Obwohl wir von Deutschland aus Leid, Zerstörung und Tod in viele Länder Europas brachten:
- Polen, Dänemark, Norwegen, die Benelux-Staaten, Frankreich, Jugoslawien, Griechenland,
- sogar nach Nordafrika und in die Länder der ehemaligen Sowjetunion.