08.01.2006

Laudatio für die Bürgerpreisträgerin 2005 – Kirsten Hutte

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kirsten,


„Man kann nicht immer tun, was man will. Man sollte aber immer tun, was man kann.“ Mit diesen Worten möchte ich beginnen, wird doch auch Kirsten Hutte heute an den Tag zurück denken, an dem sie das erste Mal zum Lichtpunkt e.V. Kontakt aufnahm. Sie erzählte uns oft, wie sie in 10 Vereinen in Freiberg war, um die Idee des Aufbaus einer Freiwilligenbörse zu erklären oder überhaupt ehrenamtlich mit zu machen. Es war für sie ernüchternd zu erfahren, dass man auch als Ehrenamtlicher oft das Gefühl hatte, nicht mit offenen Armen empfangen zu werden. Sie selbst sagt dazu: „Ich hatte später eine Erklärung in meinen Recherchen betr. Arbeit von Freiwilligen gefunden: Organisationen sind nicht darauf eingestellt, dass von außen plötzlich jemand bei ihnen anklopft und fragt, ob er ehrenamtlich mitmachen darf.“ 1961 in Güstrow geboren, hatte Kirsten Hutte nach ihrem Schulabschluss 1978 den Wunsch, Unterstufenlehrerin für Musik zu werden. Die Gesundheit spielte aber nicht mit, so dass sie von 1978 bis 1980 am Institut für Pflanzenzüchtung Gülzow – Güstrow eine Ausbildung zum Agrotechniker – Mechanisator absolvierte. 1980 lernte sie Freiberg kennen und machte ihr Abitur an der ABF in Freiberg. Nach einem Studium an der Universität Rostock zum Diplom-Agraringenieur begann sie 1986 am Agrarwissenschaftlichen Zentrum in Lichtenwalde, Außenstelle Freiberg zu arbeiten. Dort war oft „Däumchendrehen“ angesagt – nichts für Kirsten Hutte. So wechselte sie im November 1987 zum Rat des Kreises und war ab 1992 aufgrund der Auflösung des Dezernates Landwirtschaft im Landratsamt Freiberg arbeitslos. Diese Arbeitslosigkeit war prägend für sie und ihren weiteren Weg.

Nach einer Zertifikatsausbildung zum Sozialwirt und einem Praktikum bei der Diakonie Freiberg blieb sie im sozialen Bereich, hatte sie doch bei Recherchen im Internet u. a. erstmals etwas von Freiwilligenagenturen gehört. So entstand die Idee, eine solche aufzubauen. Eine Freiwilligenbörse bot aus ihrer Sicht die Brücke zwischen Interessenten, die zum Teil durch persönliche Situationen belastet sind und den Organisationen, die ehrenamtliche Helfer brauchen. Der Lichtpunkt e.V. , der 1999 (Zeit des Beginns ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in diesem Verein) noch etwas kleiner war, auch heute noch lokal arbeitet, keinem Verband und seiner Verbandspolitik angehört und schon damals viele Kontakte zu anderen Vereinen durch die „Freiberger Litfasssäule“ hatte, war ihr Favorit. Bei meinem ersten persönlichen Kontakt zu Kirsten Hutte fand ich beeindruckend, wie gut sie sich auf Gespräche vorbereitet hatte, wie sie bestimmte Dinge anpackte, da sie genau wusste, was sie wollte. Wir waren im Mai 1999 gemeinsam in Chemnitz und Dresden zwecks Erfahrungsaustauschs mit bestehenden Freiwilligenagenturen unterwegs. Im November 1999 wurde die Freiwilligenbörse in Freiberg eröffnet. Sie ist somit die zweitälteste Agentur in Sachsen nach Chemnitz. Sowohl als Leiterin dieser Börse in einer ABM – als auch danach wieder ehrenamtlich – widmet sie sich bis heute mit Ausdauer den Kernaufgaben einer Freiwilligenbörse:

• Gewinnung, Beratung und Vermittlung von Menschen, die an einer freiwilligen Tätigkeit interessiert sind,
• Beratung von Organisationen, die freiwillige Mitarbeiter suchen, zu Fragen des Einsatzes dieser, sowie der Verbesserung innerorganisatorischer Rahmenbedingungen für ein ehrenamtliches Engagement.

Zurzeit organisiert sie Weiterbildungen für gemeinnützige Einrichtungen zu Fragen des Vereins- und Freiwilligenmanagement. Ihre Erfahrungen zeigen, dass Freiwilligenagenturen im Osten Deutschlands, vorrangig von arbeitslosen Interessenten aufgesucht werden, die auf der Suche nach Sinnerfüllung, sozialen Kontakten und Anerkennung in Zeiten großer sozialer Konflikte sind. Im Dezember 2005 erhielt die Freiwilligenbörse Freiberg als eine der ersten Agenturen in Deutschland (es gibt derzeit ca. 180 – 200) das Qualitätssiegel für Freiwilligenagenturen nach einem Qualitätsmanagementprozess Im August 2000 wurde die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen in Sachsen gegründet, deren Initiatorin und 1. Sprecherin sie ist. Diese dient dem fachlichen Austausch, aber auch der politischen Einmischung, wenn es um Rahmenbedingungen freiwilliger Arbeit in Sachsen geht – ein sehr mühseliger Prozess. In dieser Funktion ist Kirsten Hutte seit Oktober 2002 Mitglied im Planungsteam der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, das auf der Bundesebene den Rahmen für inhaltliche Arbeit eines Jahres absteckt.

Für den Bürgerpreis von Freiberg wurde sie u.a. vorgeschlagen vom Freiberger Tauschring. Dieser wurde im Oktober 2001 gegründet, Initiatorin und Projektleiterin war und ist auch hier Kirsten Hutte. Der Freiberger Tauschring hat derzeit 35 Mitglieder, die im Rahmen von „organisierter Nachbarschaftshilfe“ Leistungen und Sachen tauschen. Soziale Kontakte und die gegenseitige Hilfe stehen dabei im Vordergrund. Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichsten sozialen Umfeldern. Im Rahmen des Tauschringes werden durch
dessen Mitglieder über die eigenen Interessen hinaus seit 2002 Flohmärkte organisiert, z.B. zu den Wohngebiets- und Stadtteilfesten, dem kleinen Kunstfest und auch zur Vereinsmesse. Der Tauschring ist offen für alle – „Schnuppern“ ist jederzeit erlaubt. Seit Oktober 2003 ist Kirsten Hutte außerdem die Netzwerkkoordinatorin für Stadtteilangebote „Erweiterte Bahnhofsvorstadt“ im Rahmen des Förderprogramms Lokales Kapital für soziale Zwecke – den meisten als LOS bekannt. Aufgaben in dem Bereich sind u.a. die Koordination und der Informationsaustausch für die im Netzwerk verankerten Organisationen und die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit für das Netzwerk. Hier sind sicher die Erfahrungen der Öffentlichkeitsarbeit im Verein Lichtpunkt e.V. sehr hilfreich. Unbedingt erwähnenswert ist auch die Unterstützung des Gebietsmanagements „Erweiterte Bahnhofsvorstadt“ im Zusammenhang mit sozialen Angeboten. Auf eine Initiative des Gebietsmanagements hin wurde Mitte 2004 ein Bürgerarbeitskreis Familie, Freizeit und Soziales in der Erweiterten Bahnhofsvorstadt mit interessierten Bürgerinnen gegründet, deren Mitglied sie ist. Dieser Bürgerarbeitskreis hat sich zum Ziel gesetzt, die BürgerInnen des Fördergebietes in die Umsetzung der Freiflächen aus dem Programm soziale Stadt bereits in der Planungsphase mit einzubeziehen, um die Wünsche und Bedürfnisse künftiger Nutzer, spätere Nutzung u.s.w. miteinander abzustimmen. Freiwillige Arbeit von Kindesbeinen an gewohnt, ist es wahrscheinlich noch nicht genug Ehrenamt. Nicht zuletzt unterstützt sie auch tatkräftig die Kinder-Disko.

Des Weiteren arbeitet die Preisträgerin auch noch im Arbeitskreis Interkultur/
Eine Welt in der Freiberger Agenda im Rahmen der Interkulturellen Tage mit. Außerdem wurde sie 2003 in das Netzwerk freiwillig Engagierter aus den neuen Bundesländern des Verbundnetzes Wärme berufen. Ehrenamtliche Arbeit rund um die Uhr ersetzt sicher keine Familie. Ihr Fazit aber ist: Ehrenamt macht Freude, gibt Sinn, man lernt immer Neues, lernt viele Menschen mit ihren Fähigkeiten und Eigenheiten kennen, kann mitgestalten, anderen Wege ebnen, Mut machen, informieren und einen Verein mit entwickeln. Sie sagte auch: „ Aber ohne die Mitarbeit, Hilfe, Unterstützung und Motivation in schwierigen Situationen von vielen anderen Ehrenamtlichen, vor allem der im Hintergrund immer anwesenden Lichtpunkte, würde vieles nicht gehen, hätte ich vielleicht schon aufgegeben.“

Liebe Kirsten,
zurückblickend auf deine Arbeit in den letzten Jahren fiel mir folgender Spruch ein: „Der Weg des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang asphaltiert.“ Gemeinsam haben wir viele kleine und größere Hürden aus dem Weg geräumt. Ich stimme mit Kirsten Hutte überein, dass vor dem Hintergrund dieser bereits lang anhaltenden Arbeitslosigkeit die Sinngebung freiwilliger Arbeit eine noch größere Bedeutung gewonnen hat, da viele Menschen an den Rand der Gesellschaft und ins soziale Abseits gestellt werden.

Hier liegt eine große Verantwortung des Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzes, die u.a. auch für gute Rahmenbedingungen eines freiwilligen Engagements verantwortlich ist. Nicht alles ist ehrenamtlich zu leisten. Mindestens Basisfinanzierungen für soziale und andere Projekte sind notwendig, um diese auf Dauer in hoher Qualität anbieten zu können. Die Bereitschaft großer Teile der Bevölkerung sich zu engagieren, ist vorhanden. Dies sollte genutzt und unterstützt werden, nicht nur durch die Kommune, auch durch Land, Bund, Unternehmen etc. Meine Worte sind außerdem immer: Lichtpunkte müssen nicht rund um die Uhr einsatzbereit zur Stelle sein – es ist aber gut und sehr schön, wenn welche da sind. In dem Sinne – vielen Dank für den unermüdlichen Einsatz, herzlichen Glückwunsch und alles Gute.

Cornelia Riedel
Vorstandsmitglied Lichtpunkt e.V.
hielt die Laudatio für die Bürgerpreisträgerin 2005 - Kirsten Hutte

 


Mittelsachsen – Freiberg mittendrin

Der Verwaltungssitz des Landkreises Mittelsachsen befindet sich in Freiberg. Für Bürger der 53 mittelsächsischen Kommunen, davon 21 Städte, ist er Ansprechpartner u.a. für KfZ-Zulassungen oder Kindergeldanträge und betreibt das Jobcenter Mittelsachsen.

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